Review
Mitte des 14. Jahrhunderts tobt zwischen England und Frankreich ein Konflikt, der Teile Europas für viele Dekaden ins Verderben reißen sollte. Ein Krieg so langwierig und zermürbend, dass ihm noch heute nachgesagt wird, er hätte das Nationalbewusstsein der verfeindeten Nationen entscheidend geprägt. Zentraler Auslöser dieses sogenannten Hundertjährigen Krieges ist ein Disput zwischen Frankreichs König Philipp VI. und Englands König Edward III. Beide erheben Anspruch auf die französische Krone und entflammen damit eine blutige Fehde, die von 1337 bis 1453 andauert.
Eben dieses Szenario nutzt Koei Tecmo nun für die Neuauflage eines Action-Strategiespiels, das bereits 2007 unter dem Namen „Bladestorm: The Hundred Year’s War“ für PlayStation 3 und Xbox 360 erschien – und ergänzt es um komplett neue Inhalte…
Was wir cool finden
Eingriff in die Geschichtsbücher
Im Gegensatz zur 2007er-Fassung unterteilt sich die Kampagne diesmal in zwei zentrale Blöcke. Der „Hundertjährige Krieg“ orientiert sich – wie schon in der PS3-Fassung von 2007 – lose und nicht immer in chronologischer Abfolge an den wichtigsten Ereignissen eben dieser geschichtlichen Epoche. Dem gegenüber steht Block zwei, der brandneue „Nightmare“-Modus. Hier pfeifen die Japaner komplett auf historische Begebenheiten. Vielmehr erzählt diese Storyvariante vom Ausbruch einer Katastrophe so verheerend, dass selbst die bis aufs Messer verfeindeten Briten und Franzmänner das Kriegsbeil begraben und sich gegen einen gemeinsamen Feind verbünden.
Der Dreh: Die einstige Nationalheldin Johanna von Orleans hat die Seiten gewechselt und führt nun – in eine hautenges, freizügiges Outfit gezwängt – ein Heer aus Kreaturen an, das selbst den mutigsten Feldherren das Früchten lehrt. Feuerspeiende Drachen, Baumstamm-schwingende Zyklopen, fauchende Greifen, klapprige Skelettkrieger, giftgrüne Trolle, mächtige Geistermagier und andere Fabelwesen formen eine Armee der Finsternis, überrennen die Lande und können nur mit vereinten Kräften aufgehalten werden.
Im Dienst des Höchstbietenden
Um spielerisch für eine rote Linie zu sorgen, ist das Gameplay in beiden Modi das gleiche. Aus Zuschauerperspektive dirigiert ihr einen von später maximal vier Söldnern – zwischen denen ihr mittels D-Pad wählen dürft – in Echtzeit durch die weitläufigen Areale. Die Idee: Je nach Storyverlauf kämpfen eure Söldner mal für die Engländer, mal für die Franzosen – ihr erlebt den Krieg also aus beiden Perspektiven.
Einmal auf dem Schlachtfeld, bestimmt ihr je nach Situation, welchen Einheitentyp ihr gerade befehligen wollt. Es juckt euch in den Finger, mit einem Trupp Bogenschützen Reiter aus dem Sattel zu schießen? Dann einfach der genannten Fernkämpfer-Einheit nähern, die Kreuztaste antippen und schon sagt euer Held den Jungs, wo’s lang geht.
Um die Langzeitmotivation zu wahren, folgen zu Spielbeginn jedoch nur Reiter, Schwertkämpfer und Bogenschützen eurem Kommando. Wer fortgeschrittene Einheitentypen wie Speerwerfer und dergleichen befehligen möchte, muss dies durch das Wälzen entsprechender Kriegskunst-Literatur „erlernen“. Die nötigen Bücher erbeutet ihr entweder im Kampf oder kauft sie beim Händler in der Taverne.
Kenne deinen Feind!
Steht ein Säbelrasseln bevor, greift eine Art Schwere-Stein-Papier-Prinzip. Bogenschützen zum Beispiel schlagen sich besonders Wacker gegen Reiter. Die wiederum machen in der Regel kurzen Prozess mit Schwertkämpfern, während letztgenannte den Schützen im Kampf Mann zu Mann ordentlich einheizen.
Wie die aktuell gewählte Einheit im Kampf mit einem gegnerischen Trupp abschneidet, verrät ein gut erkennbares Symbol über dem Anführer der jeweiligen Feindeinheit. Natürlich kann man es in den Wind schlagen, dann allerdings sind hohe Verluste in den eigenen Reihen vorprogrammiert. Letztlich geht es bei „Bladestorm“ also darum, auf jede Bedrohung angemessen zu reagieren und die Stärken und Schwächen seiner eigenen wie auch der feindlichen Einheiten genau zu kennen – „Kessen“ und Co. lassen grüßen.
Für taktische Tiefe sorgen zudem drei Spezialmanöver, die je nach Einheitentyp variieren und über individuelle Abklingzeiten verfügen. Normale Bogenschütze beispielsweise gehen durch Druck auf die Dreiecktaste in Stellung. Tippt man die Taste erneut an, prasselt ein Pfeilregen auf alle Widersacher in näherer Umgebung hernieder – das Zielen übernimmt die KI. Wer lieber selbst ins Schwarze trifft, nutzt die auf der Quadrattaste abgelegte Pin-Spezialfähigkeit. Sie ist effektiver, muss aber länger aufladen. Kreis wiederum lässt die Einheit – je nach Talent – schneller rennen, Mut für besonders gewagte Angriffe fassen und vieles mehr.
Sinnvoll aufrüsten
Damit ihr eure Truppen nicht sinnlos verheizt und eine Bindung zu ihnen aufbaut, sammeln sie kontinuierlich Erfahrungspunkte und steigen im Level auf. Erfolgreich absolvierte Aufträge werden außerdem mit Fähigkeitenpunkten belohnt, die man nach der Schlacht in Statusverbesserungen (bessere Angriffsstärke, stärkere Verteidigung etc.) für die individuellen Einheitentypen investiert. Das zugrunde liegende System gefällt und greift leicht angepasst auch bei euren Helden. Hier allerdings steht das Verbessern der Ausrüstung im Vordergrund.
Apropos Helden: Wer in eurem Namen die Story vorantreibt, dürft ihr zu Spielbeginn in einem recht komplexen Editor festlegen. Neben Name, Geschlecht und Art der Stimme lassen sich verschiedenste Körpermerkmale individuell anpassen: Größe und Statur, Augen-, Haar- und Hautfarbe, Frisur, Mund, Bart, Accessoires usw. Die Fülle an Optionen überrascht und wurde im Vergleich zur 2007er-Fassung ordentlich erweitert.
Quer durch Frankreich
Die ersten Schlachten werden in der Normandie ausgefochten. Seid ihr erfolgreich, öffnen sich weitere Kriegsschauplätze, etwa Aquitanien, die Bretagne, die Champagne, Flandern, die Gascogne, die zentralfranzösische Auvergne oder die nördfranzösische Region Île-de-France. Ein Gefecht gilt als gewonnen, wenn bestimmte Siegbedingungen erfüllt wurden. In der Mehrzahl der Fälle steht die Einnahme strategisch wichtiger Befestigungsanlagen auf der Agenda.
Wie gut man damit voranschreitet, verrät eine Ziffer auf der Levelkarte. Ist sie bei Null angekommen, sprich sind alle Verteidiger eliminiert, stürmt der Kommandant der jeweiligen Örtlichkeit in die Schlacht. In den ersten Missionen hat man es unter anderem mit einem 5-Meter-Hünen zu tun, der mit einer Art Mittelalter-Bazooka explodierende Kanonenkugeln verschießt.
Was wir weniger cool finden
Das eben genannte Duell ist zwar nicht besonders realistisch, aber eine angenehme Herausforderung. Von Scharmützeln mit vielen anderen Feindtruppen können wir das leider nicht immer behaupten. Hin und wieder kam es sogar vor, dass gegnerische Truppenverbände einfach so in der Gegend herumstanden und erst dann die Initiative ergriffen, als es für sie eigentlich fast schon zu spät war. Mag sein, dass dies eine gewisse Lernkurve beim Spieler begünstigen soll, trotzdem lassen einen die diversen KI-Aussetzer die Nase rümpfen.
Historisch wertvoll?
Egal ob Crécy (1346), Poitiers (1356) oder die Belagerung von Orléans (1428-1429): Die legendären, in den Geschichtsbüchern verewigten Schlachten jener Zeit sind mit an Bord. Trotzdem: Wie andere Koei-Tecmo-Produktionen aus diesem Genre pfeift auch „Bladestorm: Nightmare“ zugunsten der Unterhaltung gerne mal auf historische Richtigkeit.
Spätestens wenn Kampfelefanten, Magier oder mongolische Bogenschützen euer Heer verstärken, weiß man, dass die Macher es mit vielem nicht so genau nehmen. Macht aber nichts, denn mit steigender Vielfalt an Einheitentypen steigt auch die strategische Tiefe des Ganzen.
Technisch etwas altbacken
Optisch hinterlässt das Gebotene einen befriedigenden Eindruck, wenngleich es sich oft schwer tut, echtes PS4-Feeling zu verbreiten. Ja, die Zahl gleichzeitig dargestellter Figuren ist ordentlich und auch einige Lichteffekte begeistern. Und ja, es hat schon was, wenn zwei Dutzend Reiter im rauschähnlichen „Bladestorm“-Modus durch eine Hundertschaft Goblins pflügen und auf dem gesamten Bildschirm die Schadensindikatoren aufblinken.
Dennoch: Die grafische Pracht schwankt und die Bildrate ist vor allem bei extrem hohem Feindaufkommen nicht immer stabil. Dazu einige abgehackte Animationen, die vor allem in der Bogenschützen-Zielansicht auffallen. Man merkt einfach, dass „Bladestorm“ eine PS3-Vergangenheit hat. Unverständlich zudem, dass das hier keinen Gebrauch von Touchpad-Wischgesten, der Lightbar oder dem Lautsprecher im PS4-Controller macht.
Akustisch hätten wir uns von der Neuauflage ebenfalls mehr erwartet. Die Musikuntermalung auf dem Schlachtfeld macht zwar eine ordentliche Figur, ist innerhalb einer Kriegsregion aber leider immer dieselbe. Resultat: Nach spätestens 90 Minuten geht sie einem mächtig auf den Keks. Ein ähnliches Phänomen ist beim Händler und beim Wirt der Taverne zu beobachten, die Tag ein, Tag aus die gleichen Sprüche von sich geben. Dazu gesellen sich diverse, eher mittelmäßige Synchronsprecher, deren Ergüsse streckenweise schlecht abgemischt sind. Wuchtiges Säbelrasseln, donnerndes Pferdegetrampel und andere schöne Soundeffekte können hier jedoch einiges wettmachen.
System: PlayStation 4 (Disk und Download), PlayStation 3 (nur als Download)
Vertrieb: Koch Media
Entwickler: Omega Force / Koei Tecmo
Releasedatum: 20. März 2015
USK: ab 12 Jahren
Offizielle Homepage: http://www.koeitecmoeurope.com/games/156/Bladestorm%3A-Nightmare/
7.0